Ein Verbot internationaler Adoptionen sei die beste Möglichkeit, alle Betroffenen, insbesondere die Kinder, ausreichend zu schützen. Das schrieb der Bundesrat in seiner Medienmitteilung im Januar 2025. Der Entscheid löste eine breite Diskussion aus. PACH ordnet ein und verlangt Unterstützung für die Herkunftssuche von Betroffenen.
von Andrea Huber
«Die unabhängige Expertengruppe kommt in ihrem Bericht zum Schluss, dass auch ein griffiges Adoptionsrecht Missbräuche nicht ausschliessen kann», so die Begründung des Bundesrates. In der Schweiz solle es darum künftig nicht mehr möglich sein, Kinder aus dem Ausland zu adoptieren, schreibt der Bundesrat in seiner Mitteilung. Bis Ende 2026 solle eine entsprechende Vernehmlassungsvorlage ausgearbeitet werden.
Studien zeigen jahrzehntelange Missstände
Dieser Entscheid kommt nicht überraschend. Seit Jahrzehnten wurden in der Schweiz und in vielen anderen europäischen Ländern immer wieder Unrechtmässigkeiten bei Auslandsadoptionen aufgedeckt, bis hin zu systematischem Babyhandel. Was lange als Einzelfälle abgetan wurde, erlangte Sichtbarkeit durch Berichte von Betroffenen, allem voran seit 2018 aus Sri Lanka. Vom Bundesrat und mehreren Kantonen in Auftrag gegebene Studien zeigen die Problematik von internationalen Adoptionsverfahren deutlich. Beispielsweise enthalten die Adoptionsunterlagen oft viele Falschangaben, was die Herkunftssuche für Adoptierte erheblich erschwert.
Behördenmissbrauch und «ein besseres Leben»
Diese Studien belegen auch, dass die zuständigen Behörden bereits in den 1980er Jahren über Missstände informiert waren, jedoch keine Massnahmen ergriffen. Dies hängt vermutlich mit einer gewissen «kolonialen» Haltung der damaligen Zeit zusammen. Nämlich, dass «Kinder aus armen Ländern ein besseres Leben hätten in der Schweiz». Selbstredend gibt es Betroffene, welche ihre Adoption unproblematisch finden. Rechtliche Rahmenbedingungen müssen aber auf eine Weise garantiert werden können, dass die Rechte von jedem Kind geschützt sind. Obwohl die Adoptiveltern sich mit der Herkunftsgeschichte ihres Kindes auseinandersetzen, sind viele adoptierte Personen in der Gesellschaft mit Rassismus und Diskriminierung konfrontiert. Wenn sie später die Gelegenheit haben, ihr Herkunftsland zu besuchen, werden sie meist auch dort nicht als zugehörig wahrgenommen.
Bundesratsentscheid ist folgerichtig
Im Bericht der Expertengruppe «Internationale Adoption» kommt klar zum Ausdruck, dass es zurzeit nicht möglich ist, alle Phasen vor dem eigentlichen Adoptionsverfahren im Ausland zu überprüfen und somit die Rechte der Kinder zu garantieren. Trotz dieser Erkenntnisse lehnt eine Mehrheit der Kommission für Rechtsfragen das Verbot ab. In einer Motion (25.3430) vom 11. April 2025 beauftragen sie den Bundesrat, eine Änderung der rechtlichen Rahmenbedingungen für internationale Adoptionen vorzulegen, durch welche die Kontrollmechanismen ausgebaut werden und so das Missbrauchsrisiko reduziert wird. Der angestrebte Ausstieg stigmatisiere adoptierte Personen und deren Familien, so eine der Begründungen für die Motion.
Garantie unmöglich
Selbst wenn die Adoptionsunterlagen keine Auffälligkeiten oder Unregelmässigkeiten aufweisen, kann nicht ausgeschlossen werden, dass die Mutter oder die Eltern des Kindes für eine Adoption unter Druck gesetzt wurden oder eine Einverständniserklärung der Mutter gefälscht ist. Die Phasen vor und rund um die Geburt eines Kindes sind in Zusammenhang mit einer internationalen Adoption besonders neuralgisch und schwierig kontrollierbar.
Um also mit Sicherheit festzustellen, dass im Geburtsland des Kindes dessen Rechte und jene der leiblichen Eltern gewährt sind, wären Abklärungen vor Ort notwendig – wie etwa DNA-Tests und Recherchen bei den dortigen Behörden. Das ist zum einen sehr kostenintensiv und greift zum anderen in die Souveränität des Geburtslandes des Kindes ein. Wäre dies rechtlich möglich? Wer würde diese Untersuchungen machen? Wie viel darf eine Adoption kosten und wer bezahlt das? Es ist darum in der aktuellen Ausgangslage folgerichtig, dass der Bundesrat den Ausstieg aus internationalen Adoptionen plant.
Kantone in der Verantwortung
Die Behörden müssen Verantwortung übernehmen für das Wegschauen in der Vergangenheit: Sie sollen die nötigen Ressourcen zu Verfügung stellen, damit Betroffene auf Herkunftssuche gehen können. Die Suche ist nicht nur kostspielig, sondern zwischen Hoffnung und Enttäuschung auch emotional belastend. Kosten entstehen so beispielsweise für psychologische Unterstützung, Beratungen, Auslandreisen, DNA-Test und die Suche vor Ort. Es gibt in der Schweiz Tausende aus dem Ausland adoptierte Personen (und auch aus der Schweiz ins Ausland adoptierte Personen), welche jetzt diese Art von Unterstützung brauchen und ein Recht darauf haben.
Sofortige und effektive Unterstützung
Die heutigen gesetzlichen Grundlagen für die Herkunftssuche – insbesondere bei irregulären Adoptionen – sind ungenügend. Der Bundesrat hat deshalb das Eidgenössische Justizdepartement (EJPD) beauftragt, eine Reform in Zusammenhang mit der Herkunftssuche zu prüfen. PACH fordert, dass Betroffenen bereits jetzt geholfen wird. Zuständig für die Herkunftssuche von adoptierten Personen sind die Kantone. An einer Strategietagung im November 2024 haben 14 Kantone das weitere Vorgehen beschlossenen. Sie wollen eine «Plattform Internationale Adoptionen» gründen und somit das koordinierte Vorgehen zum Thema Herkunftssuche fördern. Die Plattform wird am 19. Mai 2025 der Öffentlichkeit vorgestellt. Es braucht eine sofortige und effektive Unterstützung. Das ist die Schweiz den vielen Betroffenen schuldig.
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